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2018-09-25    1
Daniel Doer Auftreten und Habitatwahl von Raubmöwen im Binnenland
Nachdem ich am Samstag eine erste Raubmöwen-Ausfahrt auf den Bodensee gemacht habe und in der Seemitte vom Obersee zwischen Friedrichshafen (BW) und Romanshorn (CH) mit zwei diesjährigen Schmarotzerraubmöwen erfolgreich war, sind bei mir Fragen zum Auftreten der Raubmöwen und zur Habitatwahl im Binnenland aufgetaucht. "Unsere" Schmaros am 22.09. waren in der Seemitte ziemlich allein, d.h. es gab kaum Großmöwen oder andere Wasservögel dort. Sie wurden nur fliegend oder auf dem See schwimmend, keineswegs aber Nahrung suchend beobachtet. Mir wurde von den "alten Hasen" unter den Bodensee-Ausfahrern gesagt, dass seit Beginn der Raubmöwen-Fahrten auf dem See 2012 zwar regelmäßig Raubmöwen (i.W. diesj. Schmarotzerraubmöwen) beobachtet werden, diese aber fast noch nie bei der Nahrungssuche bzw. beim Schmarotzen an anderen Arten beobachtet wurden. Auch dass es so wenig andere Vögel und damit potenzielle "Schmarotz-Opfer" mitten auf dem Obersee gab, ist durchaus typisch und auch relativ leicht mit der Nährstoff- und damit Nahrungsarmut des Bodensees zu erklären. Jetzt frage ich mich daher, warum die Vögel dann auf der Seemitte rasten und ob es sich um "reguläre" Durchzügler oder "verwehte" Ind. handelt? Da im guten Jahr 2018 eigentlich bei jeder Ausfahrt seit etwa Mitte August und damit bei durchschnittlich sehr ruhigen Wetterlagen Schmaros auf dem Bodensee beobachtet wurden, kann letzteres eigentlich ausgeschlossen werden. Bei einem kurzen Blick in die Literatur (HBW, Kompendium) hat sich mir gezeigt, dass Schmaros regelmäßig, wenn auch in geringer Zahl über das Binnenland ziehen sollen, z.B. vom Weißen Meer in die Ostsee und dann vielleicht auch weiter über Mitteleuropa ans Mittelmeer. Interessanterweise sind die Falkenraubmöwen, von denen ich zumindest in Norddeutschland viel mehr Beobachtungen kenne, die hier am Bodensee aber deutlich seltener sind, als viel strenger pelagisch dargestellt (hatte ich anders erwartet). Meine diesbezügliche These lautet nun, dass Schmaros regelmäßig in kleiner Zahl über das Binnenland ziehen und dabei gar keine Nahrungsaufnahme eingeplant haben. Dann rasten sie eben für eine gewisse Zeit (wíe lange?) an für sie geeigneten Habitaten und das könnte aufgrund der Meeres-Ähnlichkeit eben inmitten von großen Seen sein, auch wenn es dort wie am Bodensee keine Nahrung gibt. Falkenraubmöwen dagegen gelangen eher unfreiwillig nach Stürmen ins Binnenland und haben dann aber aufgrund von unpassenden Rasthabitaten wie Äckern oder sehr kleinen Gewässern eine viel größere Antreffwahrscheinlichkeit als Schmaros mitten auf dem Bodensee (oder Genfer See? Weiß jemand, ob dort regelmäßig Raubmöwen beobachtet werden?). Was meint Ihr zu dieser Theorie? Oder habt ihr noch ergänzende Informationen, die eine andere Erklärung wahrscheinlicher machen?


2018-09-26    2
Christian Wegst Auftreten und Habitatwahl von Raubmöwen im Binnenland
Hallo, ja, diese Fragestellung gibt es ja schon seit längerer Zeit. Dass Raubmöwen (Schmaro / Spatel) über das Binnenland ziehen zeigt sich ja auch an den mehrfach anwesenden und übersommernden Vögeln im Schwarzen Meer, die meines Wissens ziemlich sicher nicht außen herum geflogen sind. Womöglich sind es Vögel aus der russichen Tundra (das könnte evtl. ja auch bei den adulten Schwalbenmöwen der Fall sein, die plötzlich im Sommer an mitteleuropäischen Gewässern auftreten). D.h. sie nehmen die kürzere Strecke über das Binnenland in das Mittelmeer und dann weiter in den Atlantik oder verbleiben im Mittel-/Schwarzen Meer. Interessant ist auch, dass z.B. an mitteldeutschen Seen auch immer wieder immature Schmaros im Hochsommer dabei sind. Diese sollten nach Literatur zufolge auch erstmal in den Überwinterungsgebieten bleiben. Wenn Raubmöwen an kleineren Gewässern rasten, dann haben sie durchaus regelmäßig die Möglichkeit nach Nahrung zu jagen (z.B. kleinere Seen im Mittel- und Süddeutschen Binnenland). Sollte dies nicht der Fall sein ziehen sie mitunter auch relativ schnell weiter. Somit könnten die Vögel am Bodensee sich evtl. schon vorher mit Nahrung versorgt haben. Teilweise haben wir früher auch an süddeutschen Binnenseen mit reichlich Lachmöwen und somit Nahrung, überziehende oder nur ganz kurz verweilende Raubmöwen beobachtet. Womöglich ziehen die Vögel tatsächlich längere Strecken direkt durch. Am Bodensee ist dies trotzdem verwunderlich, da die Raubmöwen anscheinend auch nicht ab und zu in Ufernähe am Jagen beobachtet werden. Womöglich ziehen diese Vögel auch relativ zügig weiter(?). Es wäre evtl. aber auch möglich, dass sie sich zwischendurch von anderer Nahrung ernähren. Falkenraubmöwen ernähren sich im Brutgebiet ja auch nicht immer schmarotzend etc. Bin auf weitere Theorien gespannt.


2018-09-26    3
Alexander Stöhr Auftreten und Habitatwahl von Raubmöwen im Binnenland
Könnte es auch sein, dass die Raubmöwen auf eine für den energiesparenden Weiterzug förderliche (Rücken-)windlage warten? Oder vielleicht doch zögern, im Anblick der "Alpenbarriere"? VG, Alexander Stöhr


2018-09-29    4
Jurek Auftreten und Habitatwahl von Raubmöwen im Binnenland
Ich schlage vor, dass Raubmöwen regelmäßig Nord-Süd über Europa und sogar über gesamten asiatischen Kontinent überfliegen. Raubmöwen, die auf dem Binnenseen oder auf an zufälligen Felden gesehen werden, sind entweder von schlechtes Wetter oder Schwachheit geerdet. Sie füttern nicht, weil sie erschöpft oder halbtot sind. Meine Theorie ist das migrieren sie direkt zwischen Arktis und dem Mittelmeer oder dem Indischen Ozean, anstatt einen enormen Umweg über die Küsten. Wie mehrere Limikolen überfliegen non-stop in großer Höhe und vom Grund unsichtbar. In der Schweiz gibt es ziemlich regelmäßige Beobachtungen von Vögeln, die sehr hoch fliegen. Satelliten-Telemetrie von Sturmtaucher und Fregattvögeln zeigten, dass sie regelmäßig lange Strecken hoch über Land fliegen. Raubmöwen können ähnlich sein, aber meines Wissens wurde für sie noch keine Satelliten-Telemetrie durchgeführt.

[bearbeitet am 2018-09-29]


2018-09-29    5
Daniel Doer Auftreten und Habitatwahl von Raubmöwen im Binnenland
Ich habe mittlerweile ein paar mehr Nachforschungen zu den Raubmöwen am Bodensee angestellt und muss ein paar meiner Aussagen revidieren. Wenn man von den letzten schwachen paar Jahren absieht, überwiegen am Bodensee eindeutig die Falkenraubmöwen mit im Schnitt etwa doppelt so vielen Beobachtungen wie von Schmaros. Die FalkenRM werden auch fast ausschließlich auf der Seemitte und damit ohne Nahrungssuche beobachtet, während ab und an Beobachtungen von Schmaros, die entweder selber Nahrung suchen oder an Möwen/Seeschwalben etc. schmarotzen, in Ufernähe gemacht werden. Im Herbst 2012 hat sich mal ein Schweizer die Mühe gemacht, alle Raubmöwen individuell anhand von Fotos zu identifizieren (s. OAB-Bericht von Herbst 2012 unter www.bodensee-ornis.de/app/download/8357661395/OR+207+Herbst+2012.pdf?t=1530528952) und spannende Ergebnisse erzielt: Sowohl bei FalkenRM als auch Schmaro blieben einzelne bis zu 15 Tagen auf der Seemitte (da müssen sie ja irgendwann Nahrung aufgenommen haben; vielleicht einfach früh morgens und damit unbeobachtet am Seeufer?). Das Gros der Raubmöwen wurde aber nur einmal beobachtet, bei bis zu 3 Ausfahrten pro Woche! D.h. ich denke nicht, dass die Raubmöwen auf dem Bodensee erschöpft oder krank sind, sondern dass sie einfach einen kurzen Zwischenstopp einlegen. Je nachdem, wie lange dieser dauert (und da finde ich die Theorie von Alexander, dass sie auf guten Rückenwind warten und ggf. auch die Alpenkulisse abschreckend finden, überlegenswert), nehmen sie eben keine Nahrung auf. Und wenn sie mal länger bleiben, müssen sie halt trotz der rel. schlechten Bedingung am Bodensee (auch am Ufer) doch Nahrung suchen und tun das auch. Davon unbenommen gehe ich auch davon aus, dass die meisten Raubmöwen nonstop hoch über Land durch Mitteleuropa fliegen. Dafür spricht m.E. auch, dass am Bodensee ganz überwiegend K1-Vögel und kaum Altvögel beobachtet werden. Die Altvögel sind vermutlich zu erfahren, um an einem so relativ ungünstigen Ort eine Rast einzulegen. Ich bin gespannt auf die weitere Diskussion...


2018-09-29    6
Daniel Doer Auftreten und Habitatwahl von Raubmöwen im Binnenland
Noch eine Ergänzung: Auf den Genfer See wurden bereits vor den Ausfahrten auf den Bodensee, die im Sommer/Herbst 2011 starteten, regelmäßig Raubmöwen in der Seemitte beobachtet. Ich weiß aber nicht, ob die Zahlen bzw. Regemäßigkeit die Ausmaße vom Bodensee erreicht. Das spricht also eher gegen die Alpen-Kulissen-Theorie, da die Raubmöwen im Herbst am Genfer See die Alpenhauptkette ja schon überquert hätten.


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